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"Mit Gott reden?"

mit gott reden?

Beten ist keine Tätigkeit, die uns angeboren ist. Von Geburt an haben wir gelernt, nur uns selbst zu vertrauen, und so kämpfen und ringen wir um Unabhängigkeit und Selbständigkeit.  Gebet steht diesen tief in uns verwurzelten Werten radikal entgegen

Peter Maffay, ein bekannter Liedermacher und Idol vieler junger Leute, erzählte neulich in einer Talk-Show, dass er mit Religion nichts am Hut habe. Aber als ihm vor längerer Zeit die Diagnose "Lungenkrebs" gestellt wurde, da betete er: "Wenn du mich aus dieser Nummer herausholst, dann will ich mich ändern". Und er wurde geheilt. Als der Moderator fragte: "Was hat sich geändert?", kam lachend die Antwort: "Ich rauche nicht mehr". Auf die Frage: "Und beten Sie jetzt weiter?", kam lange nichts. Dann aber sagte er: "Manchmal, wenn ich nach einem gelungenen Auftritt in meinem Zimmer sitze, dann rede ich mit mir darüber, das ist dann mein Gebet".

Manche beten wenn es ihnen schlecht geht
Gerade in schwierigen Zeiten wenden sich viele Menschen an ein "höheres Wesen". Sie hoffen, in einer aussichtslosen Situation doch eine Hilfe "von oben" zu bekommen. Ludwig Feuerbach, ein Philosoph, der Gott als Produkt des menschlichen Wunschdenkens bezeichnete, meinte deswegen, dass Gebet grundsätzlich so viel bedeutet wie "sich klammern an einen Strohalm". Ähnlich wie der Begründer des neuzeitlichen Atheismus (griech. "ohne Gott") denken über das Gebet viele Psychologen, die das Beten als Folge der Angstgefühle deuten - es wird vorwiegend durch Krisensituationen hervorgerufen. Und wie denken Sie über das Gebet? Vielleicht haben Sie das letzte Mal als Kind gebetet. Als Sie erwachsen wurden, machten Sie die Erfahrung, dass nichts von Gott kommt, da jeder Mensch des eigenen Glücks Schmied ist. Und man hat Sie gelehrt, dass alles Geschehen des Universums nach bestimmten Gesetzen abläuft und daher nichts geändert werden könne. Der Gott, an den viele glauben, ist eben eine weit entfernt lebende Gottheit, die im Himmel sitzt, mit unserem Leben nichts zu tun hat und höchstens theologische Fragen, aber nicht unsere Gebete beantwortet.

Was Beten bedeutet
Falls es einen Gott gibt - und die rein theoretischen Chancen dafür stehen 1:1 - muss er sich als Schöpfer außerhalb des Geschaffenen befinden. Aus diesem Grund ist es uns Menschen nicht möglich, Gott zu "erreichen" und ihn zu erkennen. Ein ähnlicher Versuch wäre es auszuprobieren, das Ende des Universums zu erreichen - von der Technik her ein unmögliches Unternehmen - um zu schauen, was sich außerhalb des Sichtbaren und Geschaffenen befindet. Es gibt nur eine einzige Möglichkeit, Gott kennenzulernen - wenn er selber den Kontakt mit uns aufnimmt und uns sagt, wie er ist. Christen glauben, dass dieses "sich Offenbaren" Gottes auf einem doppelten Weg geschieht: durch die Bibel und im Gebet. Erst von dieser theoretischen Überlegung her ist die praktische Begründung für das Beten zu verstehen. Menschen die beten, sind in Kontakt mit Gott. Dabei kommt es zur Kommunikation von einer Person zur anderen. Gott zeigt dem betenden Menschen, wie er ist und gibt ihm seinen Willen zu erkennen. Der betende Mensch tritt wiederum vor Gott mit seinem Wesen, welches er Gott zu erkennen gibt, mit Ängsten und Sorgen, aber auch mit dem, was sein Leben froh macht. Beten ist eben Ausdruck einer liebevollen und intimen Beziehung, die zwischen Gott und Mensch entsteht. Deshalb kann es ohne Glauben kein Gebet geben.

Auf Gott hören
Wird Beten als eine Art Kommunikation bezeichnet, so muss dies Hören und Reden im gleichen Ausmaß voraussetzen. Es wird berichtet, dass ein namhafter Philosoph und ein berühmter Theologe über das Gebet sprachen. Der erste verglich den Beter mit jemand, der am Telefon redet, aber gar nicht weiß, ob am anderen Ende einer hört. Der andere antwortete: "Herr Kollege, Sie irren! Wir reden mit Gott, weil es bei uns geklingelt hat". Mein Gebetsleben war viele Jahre hindurch etwa so, als ob ich ein einseitiges Telefongespräch führte. Ich sprach zwar zu Gott im Gebet. Sobald ich jedoch fertig war, "legte ich den Hörer auf" in der Überzeugung, dass das, was als nächstes geschah, sein Wille für mich war. Ich vertraute darauf, dass Gott durch die Bibel, durch andere Menschen und Gegebenheiten meines Lebens zu mir sprach - und er tat das manchmal auch. Aber wenn er direkt zu mir sprechen wollte, hatte ich bildhaft gesprochen den Hörer auf der Gabel und hörte das Telefon nicht einmal klingeln. Auch wenn ich noch viel zu lernen habe, was das Hören auf Gott bedeutet, ist mir doch klar, dass dies zum Schlüssel des Gebets gehört. Gerade in besonderen Zeiten der Stille bin ich offen dafür, was Gott mir sagen will. Und es kommen manchmal tatsächlich Menschen, Situationen oder Lösungen in den Kopf, die ich als Gottes Stimme vernehme. Ich erkenne dadurch deutlich, dass es eine andere Realität gibt, die das Vernünftige und Rationale weit übersteigt und dass Gott uns die Fähigkeiten geschenkt hat, Dinge aus dieser großen Wirklichkeit Gottes zu erfassen. Ich habe auch entdeckt, dass am Christentum viel mehr dran ist als an der aufgeklärten und damit ziemlich "kraftlosen" Ausgabe, die ich als Theologe kennengelernt habe und dies ohne "abzuheben".

Kraftvoll beten
Martin Luther soll gesagt haben, er habe so viel zu tun, dass er nicht alles bewältigen könne, wenn er nicht jeden Tag drei Stunden im Gebet verbringe. "Gut gebetet ist gut studiert", war für ihn ein geistlicher Grundsatz. John Wesley, der Begründer des Methodismus, stellte fest: "Gott tut nichts außer durch das Gebet". Dementsprechend verwandte er täglich zwei Stunden für diese Übung. Und über George Fox, den Gründer der Quäker, wurde geschrieben: "Vor allem zeichnete er sich durch das Gebet aus. Das Eindrucksvolle und Lebendigste, was man an ihm wahrnehmen könnte, war sein Beten". Kann jeder Mensch kraftvoll beten, oder ist das erfolgreiche Beten nur den "Glaubenshelden" vorbehalten? Viele Menschen würden vielleicht enttäuscht sagen: "Jahrelang habe ich zwar für alles sehr intensiv gebetet, aber doch mit wenig Erfolg". Mich haben schon immer die Worte Jesu beunruhigt: "Bittet, so wird euch gegeben; suchet, so werdet ihr finden; klopfet an, so wird euch aufgetan" oder: " Was immer ihr in meinem Namen bitten werdet, wird der Vater euch geben". Nehmen wir diese Aussagen wörtlich, so können wir gewiss sein, dass unsere Gebete beantwortet werden. Ist das nicht der Fall, sollten wir nach dem "Defekt" suchen. Christliche Gebetslehrer geben zwei Tipps für das kraftvolle Beten:
Zuhören
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Man soll das Beten für andere damit beginnen, dass man selbst zur Ruhe kommt und der Stimme Gottes lauscht. Erst aus dieser Haltung heraus erfahren wir, für wen und für welche Dinge wir bitten sollen. Wenn wir uns nicht auf Gottes "Wellenlänge" einstellen, bleibt unser Beten ein Geplapper. Wenn wir nicht sicher sind, dass etwas in Gottes Willen ist, dann bitten wir auch nicht darum.
Mut zum Bitten.
Oft fehlt dem Beter das Vertrauen darauf, dass es aufgrund des Gebets Veränderungen geben könnte. Das Gebet ist aber der Weg, den Gott am häufigsten benutzt, um die Dinge zu verändern. Es scheint, dass Gott vieles deshalb tut, weil wir uns betend in die Sache hineinhängen. Und vieles tut er nicht, wenn wir nicht mittun, betend mitgestalten.

Autor: Tadeusz Prokop

 

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